Wie man einen Roman schreibt

Vorab gilt mein Dank dem Management der Seite ebookreader-zubehoer.de für die Möglichkeit, einen Gastbeitrag zu schreiben. Das schöne Themengebiet der Seite sind Ebooks und Zubehör. Das wichtigste Zubehör für ein ebook ist sicherlich der Roman, den man damit liest. Es gibt seit einigen Jahren eine wachsende Gemeinde von Selfpublishern und noch nie war es so leicht, kostenlos selbstgeschriebene Werke zu veröffentlichen. Natürlich gibt es positive und negative Beispiele. Wie schreibt man einen Roman, wie soll man vorgehen? Darüber möchte ich etwas erzählen.

Notebook Autor SchreibenDas Schreiben von Romanen ist ein Handwerk, welches wie jedes erlernbar ist. Man braucht Geduld, Übung und vorab eine Vorstellung von der Herangehensweise. Ein Zimmermann fängt nicht planlos an, irgendwelche Balken zusammenzuschrauben, geleitet von vagen Vorstellungen. Er hat einen Bauplan vor sich liegen, geht ihn im Geiste durch und erhält so Hinweise auf den Zeit- und Materialbedarf. Er weiß, wo er beginnen muss, welche Tätigkeiten in der Mitte anfallen und wie das letzte Stück Holz am Ende verarbeitet wird. Bei Problemen in dieser Phase des Überlegens kann er auf den Bauplan zurückgreifen und ihn notfalls anpassen, wenn bestimmte Ideen auf dem Papier zwar gut aussehen, aber aus irgendwelchen Gründen schwer realisierbar sind.

Romane beginnen ebenfalls mit einem guten Plan, bevor die erste Zeile im Computer steht. Man braucht zuerst eine Idee, wie der Handwerker. Was soll man zimmern? Einen Dachstuhl, eine Blockhütte oder ein Carport?

Ihre Planungen für einen Roman starten Sie mit Überlegungen zum Genre und einer Vorstellung über die Länge. Ein grober Anhaltspunkt sind zwischen 75 000 und 90 000 Worte, manche bei Verlagen erschienene Fantasy-Romane haben 120 000 bis 150 000 Worte. Im Grunde sind Sie als Selfpublisher völlig frei in der Gestaltung. Das einzige Problem ist der daraus resultierende Bedarf an vernünftigen Szenen, aber dazu später mehr.

Beginnen wir als Beispiel mit der groben Planung einer Lovestory im Bereich Young Adult (YA). Ein junger Mann sieht aus dem Fenster, bemerkt einen Möbelwagen auf der Straße. In der Nachbarschaft zieht eine neue Familie ein mit einer hübschen Tochter. Er beschließt, hinunterzugehen, sich als Nachbar höflich vorzustellen und mehr herauszufinden. Geht sie auf seine Schule? Welche Hobbys hat sie? Könnte mehr daraus werden? Die Tochter, genervt durch Umzug, neue Umgebung und überhaupt alles, schnauzt ihn an und lässt ihn stehen.

Was haben wir bisher? Eine Szene! Sie hat drei wichtige Elemente: ein Ziel (etwas über das Mädchen herausfinden), einen Konflikt (angeschnauzt werden) und ein (Mini)-Desaster (Abweisung).

Spinnen wir die Handlung weiter. Der junge Mann geht zurück in die elterliche Wohnung, schimpft über die blöde Tussi, überlegt, was er jetzt machen soll und fällt einen Entschluss. Beispielsweise will er nicht lockerlassen, es am nächsten Tag nochmal probieren. Im englischen Sprachraum nennt man das ein Sequel, den zweiten Teil einer Szene. Sie besteht ebenfalls aus drei Elementen: einer Reaktion auf das Desaster (schimpfen, Wut abreagieren), einem Dilemma (was soll man nun tun?) und einer Entscheidung für ein neues Ziel (nächster Tag nochmal ansprechen).

Lassen Sie es mich zusammenfassen:

  • Szene mit drei Elementen in exakt dieser Reihenfolge: Ziel, Konflikt, Desaster
  • Sequel, unmittelbar anschließend, mit exakt der Reihenfolge: Reaktion, Dilemma, Entscheidung

Besonders wichtig ist der Konflikt. Ohne ihn geht es nie. Kein Konflikt, keine Story!

Wie wäre obige Handlung ohne Konflikt? Das Mädchen ist begeistert von dem Nachbarjungen, beide verabreden sich fürs Kino, es gibt einen ersten Kuss, dann eine tiefe Beziehung. Zum Schluss schmiedet man Pläne für eine gemeinsame Zukunft.

Folgende Probleme treten auf:

  • Der Roman wird ziemlich kurz!
  • Das Lesen langweilt, da nichts Spannendes passiert.

Wenn Sie also keinen Ersatz für eine Schlaftablette schreiben wollen, brauchen Sie Konflikte, sogar jede Menge davon. Evtl. gibt es ein Happy-End für die beiden Jugendlichen, aber bitte erst auf der letzten Seite!
Überall dazwischen darf es nur eines geben: Konflikte!
Man findet evtl. kurz eine gemeinsame Basis, dann streitet man, geht auseinander, will sich versöhnen, doch irgendetwas anderes kommt dazwischen usw. Immer größere Hindernisse türmen sich für den jungen Mann auf und halten ihn davon ab, das Herz des Mädchens zu gewinnen. Denken Sie nicht nur an Konflikte zwischen den beiden, sondern auch jeweils mit der Umgebung, guten oder vermeintlich guten Freunden, Eltern, Lehrer, sonstige. (z.B. ein Streik der Busfahrer verhindert das rechtzeitige Eintreffen vor dem Kino usw.)

Nehmen wir an, Sie wollen so einen Roman schreiben und planen 75 000 Worte. Gehen wir davon aus, dass Sie grob mit 400 Worten pro Seite rechnen. Dann erhalten Sie 188 Seiten für den Roman als erste Schätzung. Nun geht es darum, wie viele Szenen (bestehend aus Szene und Sequel) Sie benötigen. Wie lange ist (ungefähr!) im Durchschnitt so eine Szene? Vier Seiten, fünf Seiten? Planen wir vorerst mit fünf Seiten. Das ergibt einen Bedarf von abgerundet 37 Szenen! Sie brauchen also 37 solche Mini-Handlungen wie oben beschrieben. Natürlich werden es einmal zehn Seiten pro Szene sein, das nächste Mal nur drei. Aber eine grobe Orientierung brauchen Sie. Planen Sie deshalb ruhig mit 37 Szenen als Startposition!

Randy Ingermanson, der Erfinder der Schneeflockenmethode der Romanplanung, sagt, dass ein Roman aus drei Katastrophen und einem Ende besteht. Als Richtwerte gibt er vor, dass die drei Katastrophen jeweils bei 25%, 50 % und 75 % des Romans auftreten sollen. Übertragen auf die 37 Szenen tritt Katastrophe 1 in Szene 9 auf, Katastrophe 2 bei Szene 18 und die dritte Katastrophe irgendwo bei Szene 27 oder 28. Auch das sind nur grobe Richtwerte, geben aber eine erste Vorstellung davon, wo man ansetzen muss.

Was für Katastrophen sollen stattfinden? Das bleibt Ihrer Fantasie überlassen, hier ist „Herumspinnen“ ausdrücklich erlaubt.
Beginnen Sie stets mit der Frage: „Was wäre, wenn?“
Was wäre, wenn der Junge die neue Nachbarin zwar als Tanzpartnerin für den Schulball gewinnt, er sich aber kurz davor das Bein bricht? Was wäre, wenn das Mädchen sich in den reichen Schönling der Schule verknallt? Was wäre, wenn dieser Typ heimlich einen Drogenring an der Schule laufen hat, weil ihn sein Vater finanziell kurz hält? Was wäre, wenn unser Held das herausfindet? Was wäre, wenn nebenbei noch drogensüchtige Schulmädchen an Lehrer „verliehen“ werden, damit diese die Augen zudrücken? Was wäre, wenn sogar der Schuldirektor mitmacht, weil er eine Schwäche für junge Mädchen hat? Was wäre, wenn man unliebsame Mitwisser ermorden will? Was wäre, wenn die neue Nachbarin mit Drogen gefügig gemacht wird? Was wäre, wenn sie verzweifelt aus dem Fenster im 3. Stock der Schule springen will?
Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Schreiben Sie alles auf, lassen Sie es einen Tag liegen und lesen Sie es danach nochmals durch. Fällt Ihnen noch etwas ein? Schreiben Sie es auf. Erst jetzt bewerten Sie den gesammelten Stoff, niemals vorher! Trennen Sie streng die Phase des „Herumspinnens“ von der kritischen Durchsicht. Kann man mit der Sammlung etwas anfangen? Sind die Ideen gut oder zu abenteuerlich? Kann man drei Katastrophen herausfiltern? Lassen die sich in eine aufsteigende Reihenfolge bringen? Die erste klein, die zweite mittel und die dritte hammerhart? Wie soll der ganze Schlamassel am Ende gelöst werden? Gibt es einen „Endkampf“ zwischen dem Helden und dem Schönling?

Wenn Sie sich für die 3 Katastrophen entschieden haben, beginnt die Detailplanung. Wie kommt man sinnvoll von Szene 1 zur 1. Katastrophe? Was könnte passieren, das logisch für den Leser aussieht und nicht gekünstelt? Wie sehen die Einzelszenen dazwischen aus, wie plane ich darin jeweils Ziel, Konflikt, Desaster und anschließend Reaktion, Dilemma, Entscheidung?

Sie halten das für zu viel Planung, eine Einschränkung der Fantasie? Ich verneine es. Glauben Sie mir, wenn Sie 75 000 Worte sinnvoll !! zu Papier bringen wollen, brauchen Sie ein Gerüst, an dem Sie sich entlang hangeln können. Nichts ist schlimmer als ein festgefahrener Roman. Geleitet von der Fantasie, den Romanfiguren, ließen Sie sich treiben schrieben drauflos und irgendwo bei 40 000 Wörtern hängen Sie nun fest. Es geht nicht weiter, irgendwie hakt es, die Ideen gehen aus und Sie haben das, was man als „Schreibblockade“ bezeichnet.

Wäre es nicht besser, die Blockade schon bei der Szenenplanung zu haben? Noch sind Sie völlig frei, haben nicht viele Stunden für Ihr Werk geopfert, müssen keine 100 Seiten umschreiben. Noch kann man vieles leicht verschieben, Katastrophen streichen, neue hinzufügen, Handlungsabläufe ändern. Denken Sie bitte daran: In dieser Phase ist alles einfach, ein Bleistiftstrich genügt! Schreiben Sie die Szenenideen auf Karteikarten, schieben Sie sie auf dem Küchentisch herum. Passt der Ablauf? Ist es natürlich? Sollte man etwas hinzufügen, weglassen?

Anders wäre es mitten im Bau. Stellen Sie sich vor, Sie entscheiden aufgrund von Konstruktionsproblemen nach Fertigstellung der Hälfte des Daches, dass Sie statt eines Satteldaches ein Walmdach benötigen. Das geht zwar, doch bisher eingebaute Balken müssen entfernt werden, passen weder hinsichtlich Länge noch Dicke zum neuen Plan. Sie bestellen frisches Holz, schneiden es zu und beginnen von vorne. Viele bisherige Arbeiten sind wertlos geworden.

Einfacher ist es im Planungsstadium. Sie erkennen Probleme und ändern den Plan. Das ist alles und kostet erheblich weniger Zeit!

Bücher / eBooksDieser Blogbeitrag kann viele Sachverhalte natürlich nur anreißen. Bestimmt möchten Sie wissen, ob es Bücher zu dem Thema gibt. Ich beantworte die Frage positiv, aber mit einer Einschränkung: Ich empfehle 2 englische Bücher. Schrecken Sie bitte nicht davor zurück, sie sind in verständlichem Englisch geschrieben und mit normalen Schulkenntnissen gut lesbar. Es handelt sich um die Autorin K.M. Weiland. Sie veröffentlichte die Bücher „Structuring your Novel“ und „Outlining your Novel“. Ersteres hat bei Amazon.com etwa 200 Bewertungen mit einer Durchschnittsnote von 4,5 Sternen. Ich kenne keinen deutschsprachigen Ratgeber, der hinsichtlich der Qualität und des Preis/Leistungsverhältnisses an die beiden Bücher herankommt! Glauben Sie mir, ich habe viele deutsche Ratgeber gelesen! Meine Nummer 1 ist Frau Weiland.

Ich wünsche Ihnen viel Glück bei Ihren Romanen, schreiben Sie einen guten, den viele lesen wollen. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder hier bei ebookreader-zubehoer oder auf meinem Blog. Bis dann, Ihr Bernard Mondae.

Werbung

Verwandte Themen: